Diese fordern im Bund und auf Landesebene die deutschlandweite Umsetzung inklusiver Bildung. Diana Hömmen kommentiert die Inklusion vor Ort wie folgt:
„Die letzte große Schulreform gab es in Deutschland 1920, um Jungen und Mädchen gemeinsam zu unterrichten. Danach hat es in Deutschland keine große Reform mehr gegeben. Dass Inklusion tatsächlich gelingen kann, zeigen Bundesländer, die schon mehr Erfahrungen damit haben. Zum Beispiel Schleswig-Holstein und Bremen, wo schon vor über 20 Jahren mit gemeinsamer Bildung begonnen wurde. Viele Bundesländer treten derzeit jedoch auf die Bremse. Gibt die Bildungspolitik bei der Inklusion zu früh auf? Über den Tellerrand hinausgeblickt, setzt man beispielsweise in Italien die inklusive Bildung seit 1976 um.
Das Thema Inklusion steckt noch immer in den Kinderschuhen und wird häufig auch von Menschen auf den Weg gebracht, die keine Erfahrung mit behinderten Menschen haben und mit unrealistischen Vorschlägen die Situation manchmal eher verkomplizieren. Die Gesellschaft muss begreifen lernen, dass sie sich verändern und anpassen muss. Ein Armutszeugnis unserer Bildungspolitik und störend wirkt dabei das Kooperationsverbot von Bund und Länder. Im Klartext arbeitet man gegeneinander, anstatt miteinander. Was wir bei dem Thema Inklusion momentan im Koalitionsvertag des Bundes vorfinden ist vor allem, dass immer nur geprüft wird, aber es wird niemand verpflichtet, Inklusion umzusetzen. Der Koalitionsvertrag beinhaltet einen Forschungsauftrag zum Thema Inklusion. Dabei besteht nach meiner Ansicht kein Forschungsdefizit, sondern ein Handlungsdefizit zur Umsetzung der Inklusion. Ich finde, man hat bereits genug geforscht, Gründe um weiter zu forschen, gibt es sicherlich genug, es zieht sich aber alles nur in die Länge, wie ein ausgelutschtes Kaugummi. Es ist Zeit loszulegen und die Probleme zu lösen, eine Stopp-Strategie ist dagegen absolut fatal. Anstatt die Kinder mit Behinderung auszusortieren und die unliebsamen rauszunehmen, wie wir es leider immer noch vor Ort erleben müssen, sollte man den Bildungssystemen und damit der Schulpolitik klarmachen, dass das so nicht weitergehen kann, denn letztlich geht es immer um unsere Kinder. Kindern ist es egal, ob ein Kind eine Behinderung hat oder nicht. Die damit ein Problem haben, sind zumeist die Erwachsenen, die den Konflikt auf dem Rücken der Kinder austragen. Im Landkreis Cloppenburg haben sich einige Schulen auf den Weg zur inklusiven Schule gemacht und das ist auch gut so. Aber auf dem Weg zu einer den Menschenrechten entsprechenden Inklusion ist noch viel zu tun.
Es gibt aber auch zahlreiche Beispiele, die belegen, dass gemeinsamer Unterricht unter den richtigen Rahmenbedingungen für alle Kinder ein Gewinn ist. Nur dringen diese Erzählungen zurzeit nicht durch, weil sie sich nicht so gut verkaufen lassen. Bildung ist mehr als die Vermittlung von Lernstoff. Sie ist auch Persönlichkeitsbildung und Charakterstärkung. Und sie findet nicht nur an Schulen statt. Jetzt abzuwarten, bis irgendwann mehr Geld und Personal zur Verfügung steht, oder gar das Rad zurückdrehen, wäre verschenkte Zeit. Denn es ist nicht zuletzt eine Frage der Haltung, die das gesellschaftliche Inklusionsklima bestimmt. Und es geht um die Bereitschaft, sich auf die Reise zu machen. Dabei können wir viel von Kindern lernen!“